Seit dem Jahr 2000 ist er bei uns wieder sesshaft und breitet sich aus. Die anfängliche Freude droht mancherorts in Gegenwehr zu kippen. Wird der Jäger erneut zum Gejagten?
Es war eine Sensation, als sich im Jahr 2000 erstmals nach ihrer Ausrottung wieder ein Wolfspaar in der sächsischen Lausitz niederließ und Nachwuchs aufzog. Von Sachsen aus besiedelten Wölfe zahlreiche Gebiete auch in anderen Bundesländern und ihr Bestand stieg bis zum Monitorjahr 2022/2023 auf 184 Wolfsrudel und 47 territoriale Paare sowie 22 territoriale Einzeltiere an. Raum würde es genug für die in der EU streng geschützten Wölfe geben. So geht eine Studie bei einer durchschnittlichen Territoriumsgröße von 200km² von einem Potential für ca. 700-1400 Wolfsterritorien in Deutschland aus.
In einem Revier kommt es hierbei nicht zu einer beliebig großen Anzahl an Wölfen. Ein Paar bildet ein Rudel mit den Nachkommen der letzten zwei Jahre. Die Jungwölfe verlassen zur Geschlechtsreife hin ihr Rudel auf der Suche nach einem Partner. Dabei können sie hunderte Kilometer zurücklegen. Wenn also ein vier-bis zehnköpfiges Wolfsrudel in der Lausitz in einem 250km² großen Territorium jagt, ergibt sich eine Wolfsdichte von 0,02 bis 0,04 Tieren pro 100 Hektar.
Eine Wolfssichtung ist somit selten, was jedoch auch daran liegt, dass Wölfe sehr scheu sind. Und wenn man doch einmal einen Wolf zu Gesicht bekommt, kann sich dieser leicht als Hund herausstellen. Hunderassen wie der „Tschechoslowakische Wolfhund“ sind kaum vom Wolf zu unterscheiden.
Ist der Wolf gefährlich?
Übergriffe von Wölfen auf den Menschen sind äußerst selten und meist nur unter speziellen Umständen wie bei einer Tollwuterkrankung der Fall; Deutschland ist aber seit 2008 tollwutfrei. Wurde der Wolf von den Germanen oder in Sagen wie Romulus und Remus noch verehrt, so wurde dem Konkurrenten bei der Jagd im Mittelalter das Image einer Bestie aufgedrückt. Er wurde verfolgt und diente Märchen wie Rotkäppchen als lügender und tötender Bösewicht.
In Wahrheit entspricht der Mensch überhaupt nicht dem Beuteschema der Wölfe. Sie meiden die Begegnung mit den Menschen und weichen meist aus, noch ehe wir sie bemerken. Wölfe ernähren sich vor allem von Rehwild, Rotwild oder Schwarzwild. Sie jagen und töten die Tiere, die sie am leichtesten erreichen und überwältigen können. Das sind alte, kranke und schwache Individuen sowie Jungtiere. Damit übernehmen sie eine wichtige Rolle im Ökosystem.
Und was ist mit den Schafen?
Leichter als Rehe lassen sich Schafe und andere Weidetiere jagen, wenn diese nicht ausreichend geschützt sind. Somit ergeben sich neue Herausforderungen für Weidetierhalter. Für sie bedeutet die Rückkehr der Wölfe Aufwand und Mehrarbeit. Herdenschutzmaßnahmen müssen ergriffen und hierbei Mindeststandards erfüllt werden, um Ausgleichszahlungen zu erhalten, wenn Wölfe in die Herde einbrechen. Maßnahmen, die nach der Ausrottung der Wölfe hinfällig geworden waren. Gerade in Gebieten, die der Wolf für sich neu erschließt und in denen noch keine Schutzmaßnahmen getroffen wurden, hat er leichtes Spiel. Dabei wäre es so wichtig, dass der Wolf gar nicht erst von Erfolgserlebnissen im Riss von Nutztieren lernt und dann den Stempel Problemwolf aufgedrückt bekommt. Als Problemwolf droht ihm die Entnahme, also der Abschuss. Geeignete Maßnahmen zum Schutz der Nutztiere sind Elektrozäune und Herdenschutzhunde.
Dort, wo es vermehrt zu Übergriffen auf Nutztiere kommt, werden Stimmen lauter, dass die Wolfsbestände reguliert werden müssen. Für ein Miteinander von Wölfen, Menschen und Nutztieren müssen Weidetierhalter ausreichend gefördert werden und jeder Einzelne von uns, der in einem Gebiet mit Wölfen lebt oder als Wolfstourist ihren Spuren folgt, ist gefordert. Halten wir respektvoll Abstand! Sollte uns einmal ein neugieriger Jungwolf begegnen, darf dieser niemals gefüttert werden. Manche Bundesländer geben Verhaltensregeln für die Begegnung mit einem Wolf heraus.
Mit der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien zum Schutz der Weidetiere und Monitoring der Wölfe engagiert sich 4dignity dafür, dem anwachsenen Konflikt entgegenzuwirken und eine friedliche Koexistenz mit frei lebenden Wölfen zu ermöglichen.